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Allegorien in der Retrospektive
Vor kurzem habe ich eine Veranstaltung besucht, in der unterschiedliche Artefakte aus dem agilen Umfeld im Mittelpunkt standen. Dabei erzählte mir ein Teilnehmer, dass er in der Rolle des Scrum Masters nach einem Sprint in der Retrospektive immer wieder gerne Allegorien anwendet.
Dieser Ansatz von Bildern ist in so fern konstruktiv, da die bestehenden Probleme nicht angesprochen werden müssen und trotzdem transparent werden.
In einer von ihm durchgeführten Retrospektive wurde von dem Team ein Schiff gezeichnet. Der Sprint wies die ein oder andere Schwierigkeit auf. Das abgebildete Schiff ist sicherlich etwas überspitzt dargestellt, zeigt jedoch recht plastisch die Probleme.
Interpretation des Bildes:
- Grundsätzlich sieht man ein Rennboot mit einem starken Motor.
=>Das Team betrachtet sich als kompetent mit viel Energie. - Das Wasser um den Propeller schäumt, aus dem Auspuff kommen Flammen, der Motor läuft auf Hochtouren.
=> Das Team war motiviert und hat alles gegeben. - Eine dicke Kette mit einem Anker verhindert, dass das Boot Fahrt aufnimmt.
=> Irgendwo wurde eine Bremse installiert und hat verhindert, dass das Team die Leistung umsetzen kann. Gefühlt wurden nur geringe Fortschritte erzielt. An dieser Stelle ist es die Aufgabe des Moderators herauszuarbeiten, was den Anker ausmacht. Ist es eine Person, schlechtes Equipment oder ist es der Lärmpegel im Büro? - Auf dem Rumpf des Bootes sind mehrere Pflaster zu sehen.
=> Das ist ein Indikator dafür, dass das Equipment veraltet sein kann bzw. die Rechner zu wenig Leistung haben. Ebenso ist es möglich, dass, trotz widriger Umstände, das Team alles gibt, damit das Boot weiter schwimmt. - Der Bug zeigt auf die Hafenmauer.
=> Das Team hat sich wenig bewegt und lief in die falsche Richtung. Der Moderator muss beachten, wer in welcher Rolle die Mauer gezeichnet hat um Lösungsansätze zu entwickeln. - Zusätzlich wurde auf dem Boot ein Mast mit Segeln installiert und eine Person im Aussichtskorb gezeichnet.
=> An dieser Stelle wird eine deutliche Kritik sichtbar, die nur in einem angstfreien Raum gezeichnet werden kann. Dem Bild nach zu urteilen existiert eine Person etwas außerhalb des Kernteams. Der Mast mit den Segeln passt nicht zum restlichen Boot und ist eher hinderlich. Diese Kritik scheint nicht nur hart, sie ist es. Fakt ist, dass diese Kritik äußerst wertvoll ist. Sie benennt sehr deutlich ein Problem, welches, wenn es abgestellt wird, die Erfolgsaussichten erheblich steigert.
Nachdem die Allegorie gezeichnet und interpretiert wurde, gilt es Maßnahme(n) abzuleiten und diese konkret umzusetzen. Verantwortliche sind zu benennen.
Weiterhin berichtete der Teilnehmer von zwei anderen Retrospektiven, die ebenfalls aufschlussreiche Erkenntnisse zuließen.
- Mitte bis Ende der 90er Jahre wurde von einem großen deutschen Autohersteller ein Kleinwagen produziert. Jedes Blechteil hatte eine andere Farbe.
- Eine Autobahn wurde gezeichnet. Auf dieser fuhr ein Auto bei Nacht ohne Licht in die falsche Richtung.
Ohne das Projekt im Detail zu kennen, kann ich mir gut die Herausforderungen vorstellen, denen sich er und sein Team gegenübergestellt sahen. Zum Glück ist dieses nicht immer der Fall. Andere Teilnehmer berichteten von deutlich freundlicheren Bildern.
Meiner Ansicht nach kann dieses Werkzeug ebenso gut in klassisch organisierten Projekten angewandt werden kann. In meinem Werkzeugkoffer hat diese Methode ihren fest angestammten Platz.
Friedrich Behnk